Mehr als nur Unkraut zupfen

Text & Bild: Andrea Schröder
Volksstimme – Elb-Havel-Echo, Montag, 11. Mai 2020, Seite 7,

Der Heimatverein kümmert sich um den alten Domfriedhof nahe dem Wasserturm in Havelberg. Bis zur Buga lag dieser im Dornröschenschlaf.

Bei den Arbeitseinsätzen auf dem alten Domfriedhof sind freiwillige Helfer stets willkommen.

Havelberg 1788 war der alte Domfriedhof außerhalb des Havelberger Dombezirkes angelegt worden. Über die Jahre geriet er fast in Vergessenheit, Pflanzen wucherten das Areal zu. Bis es für die Bundesgartenschau für die Ausstellung „Grabgestaltung und Denkmal“ in den Fokus rückte. Der Domfriedhof war ideal dafür. Ehemalige Wege wurden wieder hergestellt, die mit dem alten Baumbestand noch immer für eine friedvolle Kulisse sorgen. Es gab eine extra zur Buga errichtete Brücke, damit die Besucher vom Dombezirk über die in die Buga integrierte Kleingartenanlage „Am Nußberg“ sicher über die Straße gelangten und direkt auf dem Ausstellungsgelände ankamen.
Friedhofsgärtner und Steinmetze präsentierten dort ihre Kunst. Nach den Blumenhallenschauen sind diese Friedhofsausstellungen die beliebtesten Ziele von Buga-Besuchern, zeigen Erfahrungen aus über 60 Jahren Bundesgartenschauen.
Damit der einmal wieder hergerichtete Domfriedhof nicht wieder in den Dornröschenschlaf fällt, erklärte sich der Heimatverein Havelberg bereit, die Pflege zu übernehmen. Und das bedeutet weit mehr als nur Unkraut zu zupfen. Waltraud Gennermann koordiniert die Arbeitseinsätze von Ehrenamtlichen und kümmert sich ansonsten mit ihrem Mann Jürgen darum, dass alles in Ordnung ist. Wegen der Corona-Beschränkungen musste der Start der Arbeitseinsätze in diesem Jahr warten. Normalerweise für März geplant, war das in der Gemeinschaft erst Ende April möglich. Auf Abstand natürlich. Aber dafür bietet das Areal genügend Platz.

Jugendzentrum beim Einsatz mit dabei

Der Grabstein des Handwerksburschen. Der junge Mann hatte 1816 vergeblich bei Meistern geklopft und war erfroren. Foto: Andrea Schröder

Vor allem die Vogelmiere hatte sich stark ausgebreitet und vom Herbst war noch einiges an Laub wegzuschaffen. Außer den zumeist älteren Freiwilligen, die dem Aufruf zum Arbeitseinsatz folgten, kam dieses Mal Verstärkung aus dem Jugendzentrum. Der stellvertretende Leiter Helmut Streuer brachte Jugendliche mit, die sich im Programm „Justiq“ (Jugend stärken im Quartier“) an Projekten beteiligen. Mit dabei auch Margit Riek vom Jugendzentrum.
In den vergangenen Jahren hat der Heimatverein einiges unternommen, um den Friedhof, von dem nach der Buga alle Mustergräber und Grabsteine entfernt wurden, noch ansehnlicher zu gestalten. So pflanzten die Mitglieder zum Beispiel viele Rhododendren, die die vorhandenen Büsche und Bäume ergänzen. „Zum Glück haben wir noch den Wasseranschluss, der zur Buga hierher verlegt wurde“, ist Waltraud Gennermann froh. Dennoch gestaltet sich das Gießen angesichts der Trockenheit als große Herausforderung. Auch in diesem Jahr gab es noch nicht viel Regen. „Wir können nur das Wichtigste gießen, alles schaffen wir nicht.“
Auch wenn sich der Rasen nicht im üppigen Grün zeigt, ist es eine Freude, über den Friedhof zu spazieren. Dort stehen noch alte Tafeln von der Buga. Auf einer erfährt der Besucher Interessantes zur Friedhofshistorischen Flora. Pflanzen, die typisch für Friedhöfe sind, werden erklärt. So stehen der Efeu etwa für Tod und Unsterblichkeit sowie Freundschaft, Vergissmeinnicht für Abschied in Liebe, Erinnerung, Eiche und Esche für Unsterblichkeit, Kraft und Stärke, heiliger Baum.
In der Mitte des Areals steht der Grabstein des Handwerksburschen, der auf dem Domfriedhof 2016 dank des Heimatvereins einen würdigen Platz gefunden hat. Verschiedene Legenden ranken sich darum. Auf der Geschichtstafel ist von jener zu lesen, nach der der Handwerksbursche 1816 bei bitterem Frost bei Meistern in Havelberg klopfte und um ein Stück Brot und Obdach bat. Niemand gewährte es ihm. Da legte er sich an der Straße nach Wilsnack zum Schlafen unter eine Eiche und deckte sich mit Laub zu. Am anderen Morgen war er erfroren. Die Handwerksmeister schämten sich und der letzte, bei dem der Bursche geklopft hatte, sorgte für eine christliche Bestattung und stiftete den Stein.
Zum Verweilen laden Havelberg-Bänke ein, von denen die Stadt zur Buga 27 nach einer Zeichnung von 1910 anfertigen ließ. Die Mitglieder des Heimatvereins freuen sich stets über Spaziergänger – aber auch darüber, wenn diese ihre Flaschen, Plastiktüten und Taschentücher in die dafür aufgestellten Papierkörbe werfen, wünscht sich Waltraud Gennermann.

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